Das große Artensterben der Spezies „Nachtzug“ hat längst auch auf dem Balkan Einzug gehalten. Auf der Relation Belgrad-Zagreb-Ljubljana-Villach fuhr 2019 immerhin noch einer. Nur ist es erstens eher ein Nacht-Intercity (also ein normaler IC, der nachts fährt) und zweitens ist es nach Villach nur eine „quasi-Direktverbindung“. Was das bedeutet, warum man sich vor dem Sitzwagen auf dieser Strecke trotzdem nicht fürchten muss, es dann aber trotzdem unbequem wird, das erzähle ich Dir hier!

Fahrplan (Stand 2019)
Der Zug verlässt Belgrad um 21 Uhr. Zagreb wird um 04:25 erreicht, was wirklich nicht angenehm ist. Ljubljana um 07:27, schon besser. Dann zur „quasi-Direktverbindung“: in Dobova an der Grenze von Kroatien zu Slowenien werden neue Wagen angehängt. Diese fahren bis Villach. Die Sitzwagen aus Belgrad hingegen werden in Laibach (deutsch für Ljubljana) stehengelassen. Somit kann man zwischen Dobova (an: 05:08 / ab: 05:40) und Ljubljana (an: 07:17) den Waggon wechseln und muss damit nicht auf den Bahnsteig treten. Bewegen muss man sich allerdings schon.
Fahrzeiten findest Du auch bei uns auf rail.cc.
UPDATE 2020: Seit der Corona-Krise 2020 ist die Verbindung komplett eingestellt.
Alternative Reiseverbindungen von Belgrad nach Villach
Willst Du von Belgrad nach Ljubljana reisen, dann empfehle ich Dir, einen Flixbus zu nehmen. Es gibt zwei Direktverbindungen pro Tag (eine Abfahrt mittags, eine nachmittags) mit einer Fahrzeit von ca. 8 Stunden. Der Preis liegt bei 30 bis 50 EUR. Zusätzlich gibt es auch noch einige Verbindungen mit Umstieg in Zagreb. Fahrpläne vom Flixbus kannst Du hier nachschlagen.
Wagenmaterial
2018 bin ich mit einem Kumpel noch von Zagreb im Liegewagen des Betreibers „Optima-Express“ von Zagreb nach Belgrad gereist. Dieser wurde in den Sommermonaten zusätzlich angehängt und war auch zu ca. 70-80% ausgelastet – eine tolle Lösung eigentlich. 2019 war damit leider Schluss. Lange war ich davon ausgegangen, dass es nur nirgendwo bekanntgegeben wurde. Das stimmte allerdings nicht. Denn als ich final am Schalter in Belgrad-Centar die Antwort „nein“ bekam, war klar, dass es nur den Sitzwagen gibt. Ich hoffe sehr, dass das in Zukunft nicht so bleibt. Denn auch 2018 war lange unsicher, ob der Wagen nur alle 2 Tage oder jeden Tag fahren würde. Im Zweifelsfall ist die Website der serbischen Bahn die sicherste Info. Einfach Verbindung suchen und schauen, ob am gewünschten Reisetag das „Bett-Symbol“ zusehen ist.
Reservierung
Auch den Sitzwagen kann man reservieren. Eine Reservierung kostet etwa 3 EUR. Ob man einfach mehrere Plätze reservieren kann, damit man ein eigenes Abteil bekommt, lest ihr weiter unten. Die Reservierung ist aber NICHT verpflichtend, man kann auch einfach so einsteigen.
Enttäuschung in Belgrad
Wie schon oben beschrieben: In Belgrad am Schalter wurde ich leider entgültig enttäuscht, was meine Hoffunng auf einen Liegewagen betraf. Die Verbindung ist nämlich eigentlich echt toll und erlaubt Dir, Deine Balkan-Reise mit Belgrad ideal abschließen zu können und in weniger als 24 Stunden jeden Ort in Deutschland zu erreichen. Aber pass in Belgrad beim Bahnhof auf! Der alte Bahnhof in der Stadt (Beograd Glavna) hat seit Sommer 2018 geschlossen. Dennoch kann man dort noch Tickets kaufen. Somit wollte ich dort auch meine Reservierung für meine Rückreise am nächsten Tag kaufen. Wurde dann aber zum Bahnhof Beograd-Center/Centar verwiesen. Das ist der neue Bahnhof in Belgrad. Er ist in der Nähe des Dom des Heiligen Sava. Hier fahren einige internationale Zugverbindungen ab, zum Beispiel nach Zagreb/Zürich und nach Villach. Andere (Thessaloniki via Skopje, Bar via Podgorica) fahren im Bahnhof Topcider ab. Dieser Bahnhof liegt leicht außerhalb der Stadt. Also Obacht! Einen Vorteil hatte mein Besuch im alten Hauptbahnhof jedoch: ich traf auf Witold und Johannes aus Jena, die den gleichen Zug wie ich nehmen wollten nur einen Tag früher, also noch an diesem Abend. Beide waren wahre Balkan-Fans und so gingen wir gemeinsam die etwa 2 km zum anderen Bahnhof und bündelten das mit einer Stadtführung. Der Bahnhofsname „Centar“ (manchmal auch „Prokop“) ist dabei übrigens irrefüherend. Er liegt eher schlechter zum Stadtzentrum als der aufgegebene Bahnhof. Im neuen Bahnhof gibt es auch einen Ticketverkauf. Dort kann man einfach seine Reservierung kaufen. Bezahlung entweder in serbischen Dinaren oder per Kreditkarte.
Ich musste allerdings kurz nocheinmal scharf überlegen, ob ich den Zug wirklich nehmen will. An meine bisher erste und letzte Fahrt nachts im Sitzwagen in Großbritannien, die hier zu lesen ist habe ich grauenhafte Erinnerungen. Ein schlecht (weil viel zu sehr) gekühlter Nachtzug mit heftiger Erkältung am nächsten Tag. Ich überlegte Alternativen. Vielleicht schon morgen früh nach Zagreb fahren und von dort entweder per Nachtzug Zagreb-München oder per Nachtzug Zagreb-Zürich nach Deutschland?? War mir im ersten Moment lieber, leider waren laut Information der Dame am Schalter aber in diesen beiden Zügen alle verfügbaren Schlafmöglichkeiten schon ausgebucht, bis auf einen Schlafwagen im Münchner, der aber satte 54EUR Reservierungskosten verlangte. Das war es mir dann doch nicht wert, so entschloss ich mich, lieber noch eine schöne Nacht in meinem Hostel auszuschlafen und „in den sauren Apfel zu beißen“ , wie es Johannes ausdrückte.
Wo übernachten in Belgrad
Ich hatte für eine Nacht das Hostel „Habitat“ gebucht. Eine wirklich schöne Herberge mit allem, was man braucht. Ein eher kleines und gemütliches Hostel, „where you are not a number“ (so der Besitzer) mit familiärer Athmosphäre. Es besitzt eine Küche, einen Fernseher im Gemeinschaftsraum, liegt mitten im Zentrum und die Zimmer sind top. Zum Abschluss meiner Reise gönnte ich mir ein Einzelzimmer, was aber auch schon für unschlagbare 16 EUR zu haben war. Dieses und weitere Hostels findet ihr hier bei Hostelworld.
Wer lieber im Hotel übernachten mag, dem kann ich von Bekannten das „Compass River City Botel“ empfehlen. Preis: unter 25EUR pro Nacht und Person im Zweibettzimmer! Dieses und weitere Hotels in Belgrad findest Du hier bei Booking.com.
Nachtzug-Abfahrt in Belgrad
Belgrad, Juli 2019, Sonnenuntergang. Über der Abfahrtshalle des Bahnhofes sieht man die neue Katherdrale Sveti Sava (heilige Sava) leuchten. Der Bahnhof selbst ist eignentlich noch nichteinmal richtig fertig. Die Gleise ja, allerdings müsste oben noch ein richtiges Bahnhofsgebäufe gebaut werden, mit Läden, Restaurants etc.
Aktuell sind ein paar Räume im Keller das einzige, was man „Bahnhofsinfrastruktur“ nennen kann. Es gibt einen Snack-Automat und WCs dort, wo auch der Schalter ist.
Ich überlegte noch, ob ich einfach 6 Reservierungen kaufen sollte, um das Abteil für mich zu haben. Dafür bräuchte es eigentlich auch 6 Tickets, aber im Zweifelsfall könnte man ja einfach nur eine Reservierung vorzeigen. Ich wollte schon, merkte dann aber, dass der Zug wohl eh kaum ausgebucht werden würde. Als die Dame am Ticketverkauf den Preis nannte (der in serb. Dinaren 100x höher und deswegen „monströs“ klingt) zog ich mich aus der Affäre, indem ich einfach so tat, als sei mir das zu teuer, und mich stattdessen dann doch für nur eine einzelne Reservierung kaufte. Das ist übrigens immer eine gute Taktik, wenn man eigentlich etwas kaufen wollte, es dann aber doch irgendeinen Grund gibt, warum man sich umentscheidet und den Verkäufer nicht kränken will.
Vom Fahrkartenschalter geht es dann eine Treppe hinunter in die Abfahrtshalle, nach einer weiteren Treppe abwärts in die Unterführung und nach einer Treppe wieder nach oben steht man am Gleis 5. Insgesamt macht der Bahnhof einen sehr sauberen Eindruck, wird allerdings auch nicht häufig benutzt.
Und tatsächlich: als der Zug in Belgrad losfährt, sind vielleicht 10 Personen pro Waggon das höchste der Gefühle und das ist eher aufgerundet. Auch in den Abendhaltestellen Novi Belgrad und Neu- und Alt-Pasua steigen insgesamt nur 2-3 Leute ein.
Die Fahrt von Belgrad nach Neu-Belgrad über die Save ist übrigens wirklich sehenswert.

Damit niemand der Zusteigenden auf die Idee kommen könnte, sich mit in mein Abteil zu setzen, wende ich folgenden Trick an: Ich stecke Zettel in die Reservierungsanzeige, sodass es so aussieht, als sei mein Abteil besetzt.

Den Abend verbringe ich dann im Nebenabteil verwickelt in ein interessantes Gespräch mit zwei Interrailern aus Toulouse. Sie waren wie ich in Istanbul und ihnen ging es genauso wir mir, dass sie sofort dahin wollten, als sie erfahren haben, dass man mit Interrail dahin kommt. Sie haben an diesem Tag am Morgen den Anschluss in Sofia nach Belgrad verpasst und deswegen spontan einen Flug nach Belgrad genommen, da sie dort einen wichtigen Termin hatten. Wie ich schon im Bericht über den Nachtzug Istanbul-Sofia erwähnt habe, empfehle ich deswegen unbedingt, NICHT mit diesem Anschluss zu planen.
Gegen 22 Uhr hatten wir einige Minuten damit zu kämpfen, ein riesiges Insekt aus dem Abteil zu verbannen.

Gegen 23 Uhr gehe ich dann ins „Bett“ oder versuche es zumindest. Aber vorher führe ich euch noch durch den Zug, was aber auch nicht weiter der Rede wert ist. Kurz gesagt gibt es nur Sitzwagen, alle im Abteil zu je 6 Plätzen. Ein oder zwei Waggons davon sind 1. Klasse, diese sind gänzlich leer und unterscheiden sich zur zweiten Klasse lediglich durch einen Überzug am oberen Polster und einer leicht anderen Farbgebung des Sitzstoffes. Seht selbst.
Ich habe weiterhin das 6er-Abteil für mich. Das wird übringens während der ganzen Fahrt so bleiben. Zum großen Glück kann man wie im Nightjet die Sitze in der Mitte zusammenschieben. Dafür hebt man die Sitzfläche leicht an und zieht sie nach vorn. Wenn man das mit allen 6 Sitzen macht, entsteht eine große Liegefläche. die an den Wänden ein wenig schräg ist, da die Sitze ausgeklappt länger sind als das Abteil. Vielleicht sieht man auf dem Foto, was ich meine.

Große Liegefläche im Sitzplatz-Abteil.
Somit haben dann 2 Personen eigentlich locker bequem Platz, vielleicht auch drei. Für mich ist es auch ausreichend, doch die Sitze bergen eine andere Gefahr. Es ist warm, somit schlafe ich ohne Schlafanzug. Jedoch kitzelt der Stoff der Sitze massiv. Dem schaffe ich kurzerhand abhilfe, indem ich meine Kleidung als Unterlage benutze. Das sieht dann in etwa so aus:

Schlafplatz im Sitzwagen des Nachtzugs.
Und der Zug hat noch etwas weiteres Gefährliches an sich: kurz vor Mitternacht startet ein Marathon von Grenz- und Ticketkontrollen. Zehn vor zwölf Uhr erreichen wir den Ort Sid, die serbische Grenze. Dort steht der Zug eine halbe Stunde, Passkontrolle. Dann rollt er wenige Minuten über die Grenze, danach wieder Passkontrolle in Kroatien. Und danach heißt es: Ticketkontrolle. Die Fahrkarten wurden zwar schon zu Beginn der Reise kontrolliert, aber es scheint einen Schaffnerwechsel gegeben zu haben und so muss man seine Fahrkarte nocheinmal vorzeigen. Eine halbe Stunde später wird in Vinkovci gehalten, einer der größten Zwischenhalte nachts. Eine Person steigt ein.
Nach diesem Prozedere schlafe ich dann erstmalig ein. Ungefähr bis Zagreb. Um 04:28 Uhr, der Mann aus Vinkovci steigt wieder aus. Danach: wieder Fahrkartenkontrolle. Und wieder habe ich nicht damit gerechnet. Nur eine halbe Stunde später ahne ich mein nächstes Unheil: die slowenische Grenze in Dobova. Bis dahin bin ich natürlich nicht wieder eingeschlafen, 05:10 Uhr nächste Passkontrolle. Diese ist wenigstens von beiden Seiten zusammen, sodass man nicht nochmal den Reisepass rauskramen muss. Inzwischen gehört Kroatien ja zum Schengen-Raum, sodass die Kontrolle zwischen Kroatien und Slowenien dadurch entfallen müsste.
Ich hatte meinen Reisepass (weil ich die Kontrolle kannte) zwar sowieso unter meinem Kopfkissen, aber egal. Die Wagen nach Villach werden hier in Dobova angehängt. Um 05:40 Uhr geht es weiter. Ihr dürft raten, was folgt: „Tickets please!“ Da ich jetzt sowieso wach bin, wechsle ich den Waggon zu einem, der nach Villach fährt und nicht in Ljubljana abgehängt wird. Dieser hat auch Abteile, wo die Sitze sich nicht verstellen lassen und für alle die mögen: ein Fahrrad-Abteil.
Ich bereite mir noch einmal mein Bett in einem der gemütlicheren Abteile, dussele immerhin nochmal ein. Als wir 07:18 Uhr Ljubljana erreichen, steigen die Franzosen aus und kommen nochmal an mein Fenster (was sich auch öffnen lässt) und wir verabschieden uns. 07:27 Uhr fährt der Zug weiter. Zum ersten mal sind eine Menge Leute eingestiegen und ich verliere beinahe mein Alleinstellungsmerkmal im Abteil. Ist aber dann eingentlich auch egal, die Nacht ist vorbei, es folgt eine weitere (leidliche) Ticketkontrolle. Immerhin die erste, die in meinen Augen Sinn macht.
Ab Dobova schon fährt der Zug entlang der Save, dem längsten Fluss Sloweniens und Kroatiens.
Fahrt entlang des Fluss Save im Nachtzug Belgrad-Ljubljana.
Der Zug hält noch ein paar Male, unter Anderem in Lesce-Bled am berühmten Bleder See mit seiner Insel. Kurz nach 9 Uhr erreichen wir Villach, ohne weitere Einreisekontrolle. Es lebe der Schengen-Raum! Recht verträumt verlasse ich den Zug und steige in den „Eurocity Mimara“ Richtung München/Stuttgart/Köln/Dortmund.
Conclusion
Das Problem liegt nicht unbedingt am Sitzwagen, es liegt an den Grenzkontrollen. Ist man allein und hat Platz, ist das kein Problem. Trotzdem belegt dieser Zug leider doch einen der hinteren Plätze auf meiner Nachtzug-Liste (ich denke aus verständlichen Gründen). Wirklich schade, dass so eine tolle Verbindung leider ihre Haken hat. Ich will nicht davon abraten, diesen Zug zu nehmen, man sollte nur wissen, was einen erwartet. Aber wer weiß, vielleicht gibt es ja bald schon wieder Liegewagen? Eines muss ich dem Zug aber zu Gute halten: er war (wie auch schon letztes Jahr) immer an jeder Station pünkltich auf die Minute.
Alternativen wären übrigens der EN Alpina (Belgrad-) Zagreb-Zürich und der EN Lisinski Zagreb-München , je nachdem, wo man hin will.
Wie der aktuelle Stand ist und wie Du Deine Interrail-Tour am besten planst, erfährst Du indem du einen Kommentar unter diesen Reisebericht schreibst.
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Important links
Timetable / Fahrzeit ab 10:30 Stunden: Serbische Eisenbahn
Buy train tickets ab 37,90 EUR: einfach an einem Fahrkarten-Schalter in Belgrad. Oder bei der Serbische Eisenbahn
Bustickets kaufen – da der Nachtzug zur Zeit nicht verkehrt – zwischen 30-50 EUR: Flixbus
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